Die österreichischen Alpen beherbergen eine Vielzahl an heilkräftigen Kräutern, deren Wirksamkeit sowohl durch traditionelles Wissen als auch durch moderne Forschung bestätigt wird. In diesem Artikel stellen wir Ihnen die wichtigsten Alpenkräuter vor, erklären ihre heilenden Eigenschaften und geben Tipps zur Anwendung und Zubereitung.
Das besondere der Alpenkräuter
Kräuter, die in den Alpen auf Höhen zwischen 1.000 und 2.500 Metern wachsen, zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus. Die herausfordernden Umweltbedingungen – starke UV-Strahlung, extreme Temperaturschwankungen und nährstoffarme Böden – zwingen die Pflanzen, spezielle Schutzmechanismen zu entwickeln.
Diese Anpassungen führen zu einer höheren Konzentration an:
- Ätherischen Ölen, die für den intensiven Duft sorgen
- Antioxidantien, die vor freien Radikalen schützen
- Bitterstoffen, die die Verdauung anregen
- Flavonoiden und anderen sekundären Pflanzenstoffen mit entzündungshemmender Wirkung
Wussten Sie?
Studien haben gezeigt, dass Alpenkräuter teilweise bis zu 50% mehr wertvolle Inhaltsstoffe enthalten als ihre Verwandten aus dem Flachland.
Die 8 wichtigsten Alpenkräuter und ihre Heilwirkungen
1. Arnika (Arnica montana)
Die leuchtend gelbe Blume ist eines der bekanntesten Heilkräuter der Alpen und wächst auf Höhen zwischen 800 und 2.500 Metern. Bereits die Hildegard von Bingen schätzte die entzündungshemmende Wirkung der Arnika.
Heilwirkung: Arnika wird hauptsächlich äußerlich angewendet bei:
- Prellungen, Verstauchungen und stumpfen Verletzungen
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Entzündungen im Mund- und Rachenraum (als verdünnte Tinktur zum Gurgeln)
Anwendung: Als Salbe, Gel, Tinktur oder Öl. Wichtig: Arnika sollte niemals auf offenen Wunden angewendet oder innerlich eingenommen werden (außer in homöopathischer Verdünnung).
2. Enzian (Gentiana lutea)
Die Wurzel des Gelben Enzians ist bekannt für ihren intensiv bitteren Geschmack und wird seit Jahrhunderten als Heilmittel und zur Herstellung von Schnäpsen verwendet.
Heilwirkung:
- Fördert die Verdauung und regt die Produktion von Magensaft an
- Stärkt die Leber und unterstützt die Entgiftung
- Wirkt appetitanregend und stärkend bei Erschöpfungszuständen
Anwendung: Als Tee, Tinktur oder in Form von Kräuterbitter. Traditionell wird vor den Hauptmahlzeiten ein kleines Glas Enzianbitter getrunken, um die Verdauung zu fördern.
"In der Natur gibt es für jedes Leiden ein Kraut. Die Alpen sind eine wahre Schatzkammer der Heilpflanzen, und das Wissen darum ist ein kulturelles Erbe, das wir bewahren müssen."
— Maria Treben, österreichische Kräuterkundlerin
3. Edelweiß (Leontopodium alpinum)
Das Edelweiß ist nicht nur ein Symbol der Alpen, sondern auch eine wertvolle Heilpflanze. Seine filzigen Blätter schützen die Pflanze vor extremer UV-Strahlung – ein Mechanismus, der auch in der Hautpflege genutzt wird.
Heilwirkung:
- Starke antioxidative Eigenschaften schützen die Haut vor vorzeitiger Alterung
- Antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung bei Atemwegserkrankungen
- Beruhigend bei Magenbeschwerden
Anwendung: In der Naturkosmetik als Anti-Aging-Wirkstoff, als Tee bei Verdauungsbeschwerden. Da das Edelweiß unter Naturschutz steht, sollten Sie nur Produkte aus kontrolliertem Anbau verwenden.
4. Meisterwurz (Peucedanum ostruthium)
Die "Gichtwurz", wie sie im Volksmund auch genannt wird, galt früher als Universalheilmittel und ist bis heute ein wichtiger Bestandteil der alpinen Volksheilkunde.
Heilwirkung:
- Krampflösend bei Magen-Darm-Beschwerden und Menstruationsschmerzen
- Durchblutungsfördernd bei rheumatischen Beschwerden
- Schleimlösend bei Erkältungen und Bronchitis
- Fiebersenkend und schweißtreibend
Anwendung: Als Tee, Tinktur oder in Form von Wurzelschnaps (ein Schluck bei Verdauungsbeschwerden). Äußerlich wird sie als Salbe bei Rheuma und Gicht eingesetzt.
Praktischer Tipp
Bei Wanderungen in den Alpen können Sie einen Kräuterführer mitnehmen, um die Pflanzen kennenzulernen. Beachten Sie jedoch, dass viele Alpenkräuter unter Naturschutz stehen und nicht gepflückt werden dürfen.
5. Speik (Valeriana celtica)
Der Echte Speik ist eine seltene Baldrianart, die nur in den Ostalpen vorkommt und bereits von den Römern als kostbares Handelsgut geschätzt wurde.
Heilwirkung:
- Beruhigend und schlaffördernd
- Krampflösend bei Verdauungsbeschwerden
- Stärkend für das Nervensystem
Anwendung: Als Tee, Tinktur oder Badzusatz. Traditionell wurde Speik auch als Räucherwerk verwendet, um böse Geister zu vertreiben – heute wissen wir, dass der beruhigende Duft tatsächlich Angstzustände lindern kann.
6. Alpenwermut (Artemisia genipi)
Diese seltene, unter Naturschutz stehende Pflanze wächst in Höhen bis zu 3.000 Metern und wird auch "Schwarzer Genipi" genannt.
Heilwirkung:
- Fördert die Verdauung und regt den Appetit an
- Wirkt antibakteriell und antiviral
- Hilft bei Verdauungsstörungen und Blähungen
Anwendung: Traditionell als Likör oder Tee zubereitet. In Italien und Frankreich ist der "Genepy"-Likör eine Spezialität.
7. Frauenmantel (Alchemilla alpina)
Der Alpine Frauenmantel ist kleiner als sein Verwandter im Tal, enthält aber eine höhere Konzentration an Wirkstoffen.
Heilwirkung:
- Regulierend bei Menstruationsbeschwerden
- Entzündungshemmend bei Haut- und Schleimhautproblemen
- Wundheilungsfördernd
- Leicht blutstillend
Anwendung: Als Tee, Tinktur oder Umschlag bei Hautproblemen. Ein Fußbad mit Frauenmantel kann bei müden, geschwollenen Beinen Linderung verschaffen.
8. Zirbelkiefer (Pinus cembra)
Obwohl keine krautige Pflanze, darf die Zirbe in dieser Liste nicht fehlen. Das Öl aus den Nadeln und Zapfen ist ein wichtiger Bestandteil der alpinen Heilkunde.
Heilwirkung:
- Beruhigend und schlaffördernd
- Antiseptisch bei Atemwegserkrankungen
- Durchblutungsfördernd
- Stärkend für das Immunsystem
Anwendung: Als ätherisches Öl zur Raumbeduftung, als Badezusatz oder Einreibung bei Erkältungen. Zirbenholz wird traditionell für Schlafzimmermöbel verwendet, da sein Duft die Herzfrequenz senkt und einen tieferen Schlaf fördert.
Richtige Sammlung und Zubereitung von Alpenkräutern
Wenn Sie selbst Kräuter sammeln möchten, beachten Sie folgende Grundsätze:
Beim Sammeln
- Informieren Sie sich über geschützte Arten – viele Alpenpflanzen stehen unter Naturschutz
- Sammeln Sie nur, was Sie sicher bestimmen können
- Nehmen Sie nie die ganze Pflanze, sondern lassen Sie immer genug stehen
- Sammeln Sie an sauberen Standorten abseits von Straßen und stark frequentierten Wegen
- Der beste Sammelzeitpunkt ist vormittags nach Abtrocknen des Taus und bei trockenem Wetter
Bei der Trocknung
- Trocknen Sie die Kräuter schnell an einem luftigen, schattigen Ort
- Wenden Sie die Kräuter regelmäßig, um Schimmelbildung zu vermeiden
- Die Kräuter sind trocken, wenn die Stängel beim Biegen brechen
- Lagern Sie getrocknete Kräuter in dunklen Gläsern oder Papiertüten
Zubereitungsmethoden
Tee (Infusion): Für Blätter, Blüten und zarte Pflanzenteile. Übergießen Sie 1-2 TL getrocknete (oder 1-2 EL frische) Kräuter mit 250 ml kochendem Wasser und lassen Sie sie 5-10 Minuten ziehen.
Abkochung (Dekokt): Für härtere Pflanzenteile wie Wurzeln, Rinde oder Samen. 1-2 TL des zerkleinerten Materials mit 250 ml kaltem Wasser ansetzen, zum Kochen bringen und 10-15 Minuten köcheln lassen.
Tinktur: Für eine länger haltbare, konzentrierte Form. Füllen Sie ein Schraubglas zu einem Drittel mit zerkleinerten Kräutern und gießen Sie es mit 40-60%igem Alkohol (z.B. Wodka oder Doppelkorn) auf. Lassen Sie es 2-6 Wochen an einem dunklen Ort ziehen, schütteln Sie es gelegentlich und filtern Sie es dann ab.
Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen
So heilsam Alpenkräuter auch sein können, bei ihrer Anwendung ist Vorsicht geboten:
- Konsultieren Sie bei ernsthaften oder chronischen Erkrankungen immer einen Arzt
- Schwangere, Stillende und Kinder sollten besonders vorsichtig sein und ärztlichen Rat einholen
- Testen Sie neue Kräuter zunächst in kleinen Mengen, um allergische Reaktionen auszuschließen
- Beachten Sie mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten
- Verwenden Sie bei der Selbstsammlung nur Kräuter, die Sie mit 100%iger Sicherheit identifizieren können
Fazit: Die Weisheit der Berge nutzen
Die Alpenkräuter sind ein wertvoller Schatz, den die Natur uns bietet. Ihr Einsatz verbindet jahrhundertealtes traditionelles Wissen mit moderner Wissenschaft. Richtig angewendet, können sie einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden leisten.
Gleichzeitig ist es unsere Verantwortung, mit diesem Schatz respektvoll umzugehen – durch nachhaltiges Sammeln, wo erlaubt, oder durch den Kauf von Produkten aus kontrolliertem, nachhaltigem Anbau.
Die Heilkraft der Alpenkräuter ist ein lebendiges Kulturerbe Österreichs, das es zu bewahren und weiterzugeben gilt.
Kommentare (4)
Martina Gruber
22. September 2025Vielen Dank für diesen informativen Artikel! Meine Großmutter hat immer mit Alpenkräutern geheilt, aber viel von diesem Wissen ist leider verloren gegangen. Besonders interessant fand ich die Informationen zum Edelweiß, von dem ich nicht wusste, dass es auch heilende Eigenschaften hat.
Hans Weber
23. September 2025Ich verwende seit Jahren Meisterwurz-Tinktur bei Verdauungsproblemen, und es hilft wirklich! Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass man beim Sammeln wirklich vorsichtig sein sollte - einige Pflanzen haben giftige Doppelgänger.
Lisa Hofer (Autorin)
23. September 2025Hans, vielen Dank für diesen wichtigen Hinweis! Du hast absolut recht. Besonders bei Doldenblütlern wie der Meisterwurz ist Vorsicht geboten, da es giftige Ähnlichkeiten wie den Wasserschierling gibt. Deswegen empfehle ich Anfängern immer, nur unter Anleitung erfahrener Kräuterkundler zu sammeln oder auf geprüfte Produkte zurückzugreifen.
Julia Mayer
24. September 2025Gibt es eigentlich gute Bücher zum Thema Alpenkräuter, die Sie empfehlen können? Ich würde gerne mehr darüber lernen.
Hinterlassen Sie einen Kommentar